Steigender Umsatz (13,9 Mrd. EUR) und Beschäftigungshoch (56.600 Beschäftigte) stehen sinkendem Auftragsvolumen (13,7 Mrd. EUR) gegenüber. Abwärtstrend insbesondere im Infrastrukturgeschäft steht im Widerspruch zu den verkehrspolitischen Zielen der Koalition. Bahnindustrie fordert belastbare Finanzierungsmodelle, agile Planungsverfahren und moderne Vergabe für die Modernisierung der Schiene.
Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. zieht Bilanz für das Geschäftsjahr 2022: Mit 13,9 Milliarden Euro steigt der Umsatz der Bahnindustrie in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozent. Insbesondere im Heimatmarkt wächst mit einem Plus von 22 Prozent stark an. Auch der Beschäftigungsstand wächst stabil weiter an auf 56.600 direkt Beschäftigte allein in Deutschland. Das Fahrzeuggeschäft steigt um 16,7 Prozent.
Im Ausland machen sich die Krisen jedoch weiterhin bemerkbar, der Exportumsatz sinkt um 17 Prozent. Einbußen verzeichnet die Bahnindustrie auch im Infrastrukturumsatz, der im In- und Ausland um 13 Prozent zurückgeht. „Die Zahlen zeichnen ein klares Bild. Das Bild einer starken Industrie, die nicht genug Tempo aufnehmen kann“, sagt VDB-Präsident Andre Rodenbeck. Auch der Auftragseingang sinkt um 18 Prozent. Mit einem Volumen von 13,7 Milliarden Euro seien die Auftragsbücher der Bahnindustrie zwar weiterhin gut gefüllt, der Abwärtstrend stehe laut Rodenbeck jedoch im Widerspruch zu den verkehrspolitischen Zielen der Koalition: „Dass die Bahnindustrie es kann, steht außer Frage. Aber der Investitionshochlauf für die Schiene bleibt weiterhin aus. Wir kommen nicht ins Machen“.
Die Bahnindustrie begrüße vor diesem Hintergrund die von der Koalition beschlossenen zusätzlichen 45 Milliarden Euro für die Schiene. „Das ist ein starkes Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Jetzt muss es konkret werden. In den aktuellen Bundeshaushaltsverhandlungen ist zu klären, woher die Gelder zusätzlich zu den Einnahmen aus der erhöhten LKW-Maut kommen können“, forderte Rodenbeck. Um Tempo aufzunehmen, müssten darüber hinaus bestehende Mittel schneller den Sektor erreichen und innovative Technologie viel schneller in die Anwendung kommen.
Der Handlungsdruck für die beschleunigte Modernisierung steigt. So müsste Deutschland fünfmal so viel digitalisieren und doppelt so schnell elektrifizieren, um seine verkehrspolitischen Ziele auf der Schiene rechtzeitig zu erreichen. „Die Modernisierung der Schiene braucht dringend Rückenwind. Umsetzungsgeschwindigkeit setzt Mittel und Planungssicherheit voraus“, sagte VDB-Hauptgeschäftsführerin Sarah Stark. Die Bahnindustrie brauche verbindliche und langfristige Investitionen des Bundes und damit finanzielle Planungssicherheit, um notwendige Ressourcen aufbauen zu können.
Insbesondere bei Digitalisierungsprojekten müssten die bisher voneinander getrennten Mittel für Planung und Bau in einem Haushaltstitel gebündelt werden und auch gebündelt über eine Finanzierungsvereinbarung abfließen. Durch neue Prozesse nach dem Vorbild des Schnellläuferprogramms würden Projekte, die nach aktuellen Verfahren 16 Jahre dauern, in knapp 4 Jahren gelingen. Planung und Realisierung müssten auch in der Vergabe in einem Generalunternehmer-Modell zusammengefasst werden, statt Projekte in kleinsten Paketen auszuschreiben. „Die von der Beschleunigungskommission Schiene empfohlenen Maßnahmen zur Verschlankung komplexer Prozesse sind jetzt konsequent in Regelwerken zu verankern. Zentral sind die Bündelung der Investitionen in zwei Fonds und die Anpassung gesetzlicher und regulatorischer Änderungen in einem „Moderne-Schiene-Gesetz““, so Stark.
Moderne Mobilität auf der Schiene erfordere auch moderne Vergabeverfahren, die innovative Technologien schnell in die Anwendung bringen. „Heute werden in Deutschland noch 92 Prozent der öffentlichen Ausschreibungen im Bahnsektor zu 100 Prozent nach dem billigstem Anschaffungspreis vergeben. Nachhaltigkeit, Effizienz und Kundenkomfort sind in der Vergabe selten erfolgsentscheidend. Dabei entscheiden besonders diese Aspekte über den Erfolg der Schiene im intermodalen Wettbewerb“, kritisiert VDB-Geschäftsführer Axel Schuppe.
Der billigste Anschaffungspreis garantiert über den gesamten Lebenszyklus betrachtet nicht zwangsläufig das wirtschaftlichste Angebot. Das zeigt eine im Auftrag des VDB durch McKinsey & Company im vergangenen Jahr durchgeführte Studie zu moderner öffentlicher Vergabe in der Bahnindustrie. Analysiert wurden acht Ausschreibungen für Rollmaterial- und Infrastrukturprojekte aus Deutschland und Europa, in denen die sogenannten MEAT-Kriterien („Most economically adventageous tenders“) Lebenszykluskosten und Nachhaltigkeit, Qualität bei Implementierung und Betrieb, technische Funktionalität und Technologieförderung sowie Design und Barrierefreiheit stärker als der Anschaffungspreis gewichtet wurden. Alle Beispiele würden laut Studie positive Auswirkungen auf involvierte Stakeholder entlang eines oder mehrerer der MEAT-Kriterien zeigen.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Vergabe nach MEAT-Kriterien Innovationen und den Wettbewerb um die beste Lösung stärke. Sie verringere auch das Risiko für höhere Kosten in der Entwicklung und im gesamten Lebenszyklus sowie für Nachträge und Budgetüberschreitungen. „Wer billig kauft, kauft doppelt. Und billigste Angebote reichen auch nicht für beste Mobilität. MEAT-Kriterien sind im europäischen und deutschen Vergaberecht bereits verankert, sie müssen nur konsequent angewendet werden“, betonte Schuppe.
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