Der Schienenverkehr steht vor einem Quantensprung. Digitale Technologien verändern Züge, Infrastruktur und Prozesse grundlegend. Innovationen wie autonomes Fahren, intelligente Wartung und vernetzte Logistik werden Wirklichkeit. Der Bahnverkehr wird so noch klimaschonender, sicherer, wirtschaftlicher, leiser und komfortabler. Damit „Schiene 4.0“ gelingt, braucht es die Unterstützung der Politik. Die wichtigsten Handlungsfelder bis Ende 2017:
Stellwerke sind die „hidden champions“ der „Schiene 4.0“. Sie überwachen und steuern den Schienenverkehr. Mithilfe moderner Leit- und Sicherungstechnik regeln sie Weichen, stellen Signale und beeinflussen das Fahrverhalten von Zügen. Digitale Lösungen eröffnen neue Möglichkeiten:
Digitale Stellwerke zählen zu den wichtigsten Innovationen. Umso bedenklicher ist es, dass der technologische Stand der Stellwerke in Deutschland zu einem Großteil Vorkriegsniveau entspricht. Weichen werden zum Beispiel mit Hebeln und Knöpfen gestellt. Während Länder wie Belgien, Dänemark und die Schweiz ihre komplette Leit- und Sicherungstechnik derzeit auf den neuesten Stand bringen, verharrt der Anteil digitaler Stellwerke in Deutschland bei mageren 12 Prozent.
Digitale Leit- und Sicherungstechnik revolutioniert auch den paneuropäischen Bahnverkehr. Bis heute leidet der grenzüberschreitende Schienenverkehr unter den rund 20 verschiedenen Zugsicherungssystemen in den EU-Ländern. Um mehrere Staaten zu durchqueren, müssen Züge entweder alle notwendigen Systeme an Bord haben oder Lokomotiven müssen an den Grenzen ausgetauscht werden. Das ist zeitaufwendig, teuer und anachronistisch. Mit dem einheitlichen European Train Control System (ETCS) steht eine technische Lösung bereit, mit der entlang den Strecken und in den Zügen nur noch ein einziges System erforderlich ist. Länder wie Dänemark und Belgien rüsten derzeit ihr gesamtes bestehendes Streckennetz unter Hochdruck auf ETCS um. Und auch international gilt ETCS als künftiger Standard, von Australien über China bis nach Mexiko.
Die deutsche Politik agiert noch zu halbherzig. Zwar kommt ETCS auf einzelnen Strecken bereits zum Einsatz. Doch von der Vorgabe der EU, zumindest die vier durch Deutschland verlaufenden Frachtkorridore auszustatten, ist die Bundesrepublik noch weit entfernt. Dabei kommt Deutschland eine Schlüsselrolle zu: Zahlreiche neuralgische Punkte des europäischen Güterverkehrs – etwa die Containerhäfen Hamburg, Bremen und Rotterdam – sind auf eine rasche Modernisierung der deutschen Korridore angewiesen.
Digitale Technologien verändern die Abläufe bei Wartung und Instandsetzung fundamental. Bislang müssen Fahrzeuge in festgelegten Zeitintervallen gewartet werden – ein starres Prozedere. Heute ermöglicht das Condition Based Maintenance eine Wartung auf Abruf. Digitale Sensoren beispielsweise entlang der Strecke prüfen den Zustand von passierenden Zügen ebenso wie von Gleisen, Weichen oder Signalen. Verschleiß und Reparaturbedarf werden sofort gemeldet. In die Werkstatt kommen nur noch Fahrzeuge, bei denen tatsächlich ein Wartungsbedarf besteht. Die Vorteile liegen auf der Hand: Fahrzeugflotten können effizienter eingesetzt werden, die Kosten für Wartung und Instandhaltung sinken um bis zu 30 Prozent, Strecken werden nicht durch plötzliche Ausfälle blockiert, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit des Bahnverkehrs steigen deutlich.
„Made in Germany“ ist auch in der Digitalisierung weltweit führend. Signaltechnologie-Cluster wie Braunschweig, München, Berlin oder Stuttgart liefern Lösungen für die Zukunft. Deutsche Hersteller haben als erste weltweit eigene Unternehmenseinheiten für das Thema eingerichtet. Dort bringen sie Experten aus anderen Industrien mit eigenen Entwicklern zusammen. Dafür investieren sie erhebliche Mittel: Rund 9 Prozent ihres Umsatzes wenden die Unternehmen der Bahnindustrie in Deutschland für Forschung und Entwicklung auf. Zum Vergleich: Die deutschen Unternehmen insgesamt geben dafür im Durchschnitt nur 2,8 Prozent aus.